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Gestühl
Historische Entwicklung:
Im Laufe der Entwicklung des Kirchenbaus wurde das Kirchengestühl zum festen
Bestandteil der Ausstattung einer Kirche. War es im Mittelalter noch üblich, dass die
Gläubigen im Kirchenraum während der Gottesdienste standen, knieten oder am Boden
saßen, entwickelten sich ab dem 15. Jahrhundert ausgehend von bereits üblichen festen
Gestühlen der Priester im Chorraum einzelne Kirchengestühle, die von priviligierten
Bürgern erworben, verliehen und weitervererbt werden konnten. Nach und nach wurden
diese Sitzgelegenheiten in feste Bankblöcke regelmäßig geordnet und zusammengefasst.
Stirn- und Rückseiten boten wie die Wangen vom ornamentfreudigen Barock bis ins 20.
Jahrhundert Gelegenheit, diese teilweise sehr aufwendig zu gestalten. So wurde das
zum Kirchenraum gehöhrende Gestühl immer in Abstimmung auf den gesamten Raum
und seine Ausstattung entworfen - aufwendig und reich durchgestaltet in prunkvollen
Wallfahrts- und Klosterkirchen und einfacher und bescheidener in kleinen, insgesamt
zurückhaltender ausgestatteten Dorfkirchen. Erst mit der Erneuerung der Liturgie durch
das Zweite Vatikanische Konzil wurden ab den 1960er Jahren Konzepte für flexible und
lockere Einzelbestuhlungen anstelle eines fest montierten Gestühls entwickelt. Das
Kirchengestühl von Kirchenneubauten aus dieser Zeit wirkt leicht und durchsichtig und
verliert durch den Verzicht auf Wangen, Podien und durchgängige Rückenlehnen seinen
blockartigen Charakter.
Schematischer Aufbau:
Gestühlblöcke haben als raumgliedernde und -ordnende Elemente, als Farbträger und
Masse im Raum eine wesentliche Bedeutung für den Eindruck eines Kircheninnenraums.
Man unterscheidet dabei zwischen Laiengestühl im Kirchenraum und auf den Emporen
und dem festen Chorgestühl im Altarraum. Eine Ausnahmestellung bilden Sedilien,
also Priestersitz und Assistenzstühle (Ministrantensitze) im Altarraum der Kirche. Die
über Jahrhunderte entwickelten Konstruktionsprinzipien haben bis heute Berechtigung.
Die durchgehenden Bänke mit Rückenlehnen werden seitlich begrenzt und befestigt
durch abschließende Gestühlswangen. An die jeweils vorangehende Bank sind die
Kniebänke und die schmalen Auflagebretter für das Gebetbuch montiert. Diese werden
zu kompakten Blöcken durch erhöhte hölzerne Bankpodien und durch geschlossen
ausgebildete Stirn- und Rückenseiten zusammengefasst. Neben rein funktionalen
Aufgaben, wie dem Schutz vor Zugerscheinungen und kaltem Fußboden, kommt dem
Kirchengestühl auch liturgische Bedeutung zu: es verbindet die Gläubigen und fasst sie
als Gemeinschaft zum Volk Gottes zusammen. Durch die oft deutliche Absetzung vom
Kirchenboden begibt sich der Kirchenbesucher in einen Bereich, der der Sammlung, dem
Gebet und dem Ort für die Mitfeier des Gottesdienstes vorbehalten ist.